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Posted: Mon 4:00, 19 Aug 2013 Post subject: Wie Politik Spaß machen kann |
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Wie Politik Spaß machen kann
Die studentische Selbstverwaltung war ein lebendiges Zentrum der 68er-Bewegung. Heute geht es mehr darum, Alltagsprobleme zu bewältigen
Vor vierzig Jahren war der Allgemeine Studenten-Ausschuss (AStA) ein Hort der Querdenker, Menschenrechtler und Revoluzzer. Heute hat die Uni-Politik längst nicht mehr so ein verwegenes Image. Es gibt Ausschüsse, Gruppen und Sitzungen zu allen möglichen Themen von »Auslandssemester« bis »Zulassungsbeschränkung«. Das klingt trocken und obendrein nach viel Arbeit mit wenig Aussicht auf Erfolg. »Stimmt aber nicht!«, widerspricht Janna Schumacher.
Die Erste Vorsitzende des Hamburger AStA hat einen forschen Schritt. Mehrere Kilometer legt sie täglich in den Uni-Fluren zurück, Pumps wären da ziemlich fehl am Platz. Janna trägt braune adidas-Sneakers mit türkisen Streifen. Dazu eine graue Cordhose und eine braune Strickjacke. Sie ist groß, schlank, sportlich - kein Make-up, kein Frisuren-Firlefanz. Ihr braunes Haar ist zu einem Knoten zusammengebunden,[link widoczny dla zalogowanych], ihre blauen Augen hellwach. Ständig wird sie gerufen, soll kurz mal stehen bleiben,[link widoczny dla zalogowanych], einen Raum aufschließen oder sagen, wann und wo die nächste Sitzung ist. Heute Abend findet noch eine Demo gegen Studiengebühren statt und danach eine große Party auf dem Campus. Es ist der letzte Tag vor den Semesterferien. »Ist der Lkw schon da, auf dem die Band bei der Demo spielen soll?«, ruft Janna einem AStA-Kollegen zu,[link widoczny dla zalogowanych], einem anderen: »Wo sind die aufblasbaren Palmeninseln?«
TAB Grundtext ohne Einzug">Acht bis zehn Stunden verbringt Janna täglich im AStA. Zum Glück ist ihr Freund auch aktiv in der Hochschulpolitik. Fürs Studieren bleibt ihr wenig Zeit. Zwei bis drei Seminare versucht sie zu belegen, gerade so viele, dass sie die Bafög-Auflagen erfüllt. Janna ist 24 und studiert im sechsten Semester Philosophie und Germanistik auf Lehramt. Sie schätzt, dass sie ein bis zwei Semester durch die AStA-Arbeit verlieren wird. Macht nichts, findet sie: »Ich finde es wichtiger, aktiv auf mein Umfeld Einfluss zu nehmen.«
TAB Grundtext ohne Einzug">Das war schon immer so. Janna hat die typische Karriere hinter sich: Klassensprecherin, Schulsprecherin, Fachschaftsrat,[link widoczny dla zalogowanych], AStA-Vorstand. »Man hat viel mehr Spaß am Studieren, wenn man sich engagiert«, sagt sie. Es gibt sogar eine Aufwandsentschädigung, die je nach Position zwischen 300 und 630 Euro im Monat liegt. Trotzdem sind die Posten nicht besonders begehrt: »Die meisten Studenten stehen unter dem großen Druck, nicht die Regelstudienzeit zu überschreiten. Die wollen nur möglichst schnell ihre Scheine zusammenbekommen.«
TAB Grundtext ohne Einzug">Bei dem Wort »Regelstudienzeit« rollt Janna die Augen gen Zimmerdecke. Auch dagegen wird heute Abend demonstriert, hauptsächlich aber gegen Studiengebühren. »Beides gefährdet die Freiheit von Forschung und Lehre. So wird Studium wieder etwas, was sich nur die Oberschicht leisten kann«, sagt Janna mit Nachdruck.
TAB Grundtext ohne Einzug">Diese Argumente werden oft vom AStA benutzt, wenn es um Neuerungen geht. Das beschert ihm in der Bildungspolitik immer wieder den Ruf der Modernisierungsbremse. »Trotzdem ist es wichtig, dass wir an unseren Idealen festhalten«, verteidigt Janna ihre Position. Sie glaubt an einen Status quo, der verteidigt werden muss, denn »es reicht, dass wir die Bachelor- und Masterstudiengänge aufgedrückt bekommen haben«. Als uneingeschränkte Idealistin würde sie sich aber nicht bezeichnen: »Das klingt zu verblendet. Ich bin Pragmatikerin. Oder vielmehr eine pragmatische Idealistin.«
TAB Grundtext mit Einzug eng">Vielleicht ist aber gerade der Idealismus der Grund dafür, dass oft nur zehn bis zwanzig Prozent der Studenten an den Wahlen für das Studentenparlament teilnehmen, das im Uni-Jargon mit Stupa abgekürzt wird. Es wählt einmal im Jahr - meist in einer zwölfstündigen Marathonsitzung - den AStA und setzt sich aus verschiedenen Parteien,[link widoczny dla zalogowanych], den Uni-Gruppen oder Listen, zusammen. Sie haben Namen wie »Regenbogen«, »Kulturschock« oder »Tarnliste«. Die meisten dieser Studentenparteien können mit Adjektiven beschrieben werden, die mit »anti-« anfangen und mit »-isch« aufhören: antirassistisch, antifaschistisch oder antikapitalistisch. Nur ganz wenige, wie der Ring Christlich-Demokratischer Studenten, sind konservativ. Janna gehört zum Regenbogen.
TAB Grundtext ohne Einzug">Heute tragen alle AStA-Leute und ihre Sympathisanten gelbe T-Shirts mit roten Palmen und der Aufschrift »Summer of Resistance«: »Wir haben einen Titel gesucht, der nicht sofort diese staubtrockene politische Verkopfung ausstrahlt, sondern Lust aufs Dabeisein weckt.« Das Konzept ging auf: Von Hamburg aus verbreitete sich das Motto über Deutschland. Überall wurden Demos veranstaltet, Uni-Gebäude besetzt und Seminare in Fußgängerzonen verlegt.
TAB Grundtext ohne Einzug">Über einen ähnlichen Uni-Streik, bei dem die regulären Veranstaltungen zugunsten von öffentlichkeitsträchtigen Aktionen boykottiert wurden,[link widoczny dla zalogowanych], war Janna in die Hochschulpolitik gerutscht, im Wintersemester 2003/04. »Das hat so eine Energie freigesetzt,[link widoczny dla zalogowanych], dass ich mich unbedingt wieder voll engagieren wollte.« Kaum ein Jahr später ist sie die Erste Vorsitzende. Eine Karriere als Politikerin auf Bundesebene kann sie sich aber nicht vorstellen. »Mir reicht das Geklüngel hier schon völlig«, sagt sie und winkt ab. »Überhaupt kann ich das nicht länger als ein, zwei Jahre machen, wenn ich nicht völlig den Anschluss an den Lehrplan verlieren will.«
TAB Grundtext ohne Einzug">Wem Jannas Weg zu rasant ist, der findet viele andere Möglichkeiten, um ein bisschen mitzumischen. Meist ist das Fachbereichscafé ein guter Ausgangspunkt. Wer dort seine Freistunden verbringt, findet schnell Kontakt zu Kommilitonen. Oft sind das diejenigen, die sich auch im Fachschaftsrat engagieren. Das ist das Gremium, das sich nur um die Belange des jeweiligen Fachs kümmert und nicht um die gesamte Palette der Hochschulpolitik.
TAB Grundtext ohne Einzug">Die gelben T-Shirts sind der größte Coup, den der Hamburger AStA im letzten Semester gelandet hat. Sie sehen aus wie Secondhand-Oberteile aus einem jamaikanischen Sportclub. Über 7000 Stück zu fünf Euro hat der AStA bereits verkauft. »Das sind aber gerade mal die Produktionskosten«, wirft Janna ein. Vom Semesterbeitrag jedes Studenten gehen ohnehin 7,50 Euro an den AStA, das macht ein Jahresbudget von knapp 400000 Euro. »Wir geben einen Großteil des Geldes für Personal und Beratung aus«, erklärt Janna und deutet auf die Warteschlange im AStA-Flur.
TAB Grundtext ohne Einzug">Auch kurz vor Demo, Party und Semesterferien findet die Rechtsberatung statt. Klaus war schon öfter hier. Er möchte wissen,[link widoczny dla zalogowanych], wie viel er zusätzlich zum Bafög verdienen darf. Margarethe hat zwei Jobs und weiß nicht, wie sie die abrechnen soll. Claudias Bafög-Antrag wurde abgelehnt, sie hat zur Verstärkung ihre Mutter mitgebracht. Bis zu hundert Leute nehmen das Angebot pro Woche wahr. Klaus sagt: »Ich bin noch nie ohne eine befriedigende Antwort nach Hause gegangen. Ich weiß, dass die Leute hier auf meiner Seite sind.«
Eine Mischung aus Kulturpolitik und Spaß
TAB Grundtext ohne Einzug">Jetzt herrscht in den Büros Hochbetrieb: Die letzten Transparente werden ge-malt, die Palmeninseln aufgepustet. Es herrscht das übliche Chaos: überall leere Flaschen, Sprühdosen, Aschenbecher. Auf alten Sofas knüllen sich neue Kapuzenpullis. Die Flurwände sind voll geklebt mit »Suche dringend WG-Zimmer«-Zetteln. Die Räume sind im Erdgeschoss und haben große Fenster nach draußen. Auf dem Campus haben sich schon etliche Demonstranten versammelt. Sie sitzen in der Abendsonne, trinken Bier, lauschen den HipHop-Beats.
TAB Grundtext ohne Einzug">Janna steht hinter einem Open-Air-Tresen aus Seminartischen und verkauft Drinks. Auf dem Kopfsteinpflaster stehen Sofas, in denen sich die Demonstranten lümmeln. »Sieht doch alles ganz locker aus«, sagt sie und wirkt selbst zum ersten Mal richtig entspannt. Gerade findet der Soundcheck für den Lkw-Auftritt der Band statt. Leute in gelben T-Shirts verteilen gelbe Pappen, auf denen in Rot »Gegen Studiengebühren« steht. Es haben sich vielleicht 100 Studenten versammelt. Um 18 Uhr fährt der Laster los,[link widoczny dla zalogowanych], und langsam setzt sich der Tross in Bewegung. Die Plakate bewegen sich im Takt der HipHop-Band. Als die Musik kurz aussetzt, um Megafon-Parolen Platz zu machen, rufen ein paar Demonstranten von hinten: »Ey,[link widoczny dla zalogowanych], macht mal die Mucke wieder an!« Janna ist zufrieden: »Das ist doch eine schöne Mischung aus Kulturpolitik und Spaß.«
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